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Auch Brüste können Kriegswaffen sein
"Men, War Peace": Das Thema ist schwierig, im Zusammenspiel zweier so unterschiedlicher Fotografen wie James Nachtwey und David LaChapelle heikel und provokant dazu. Aufgeblasene Silikonbrüste neben zerfetzten Kriegsopfern aus Afghanistan - wie sollte das gut gehen? Das Museum für Fotografie hat diese Gratwanderung in der aktuellen Ausstellung gewagt - und gewonnen,[link widoczny dla zalogowanych], weil sie zusammenführt, was auf den ersten Blick nicht zusammengehört. Vom verstorbenen Hausherrn des Museums, Helmut Newton, werden 70 Fotografien ergänzend präsentiert.
Zwei Amerikaner in Berlin: Nachtwey, Jahrgang '48, und LaChapelle, Jahrgang '68: Hier der Kriegsfotograf, sensibel und brutal zugleich, da der szenige Lifestyle- und Modefotograf, der Bilder komponiert,[link widoczny dla zalogowanych], die aussehen,[link widoczny dla zalogowanych], als hätte sie ein Zuckerbäcker in XXL aufgeblasen. In diesen Fotografien treffen sich existenzielle Tiefe und schillernde Oberflächlichkeit,[link widoczny dla zalogowanych], kalt und warm, hell und dunkel, klassisches Schwarzweiß und hyperreale Farbigkeit. Nachtwey, ein Gentleman mit meliertem, streng zurückgekämmtem Haar, dezent und zurückhaltend in seinem himmelweißen Hemd und der schwarzen schlichten Weste. Ein amerikanischer Jeremy Irons, ein Frauentyp, der schon an vielen Kriegsfronten dieser Welt mit der Kamera gekämpft hat. Nicaragua, Guatemala, Ruanda, Somalia, Palästina, Israel, Sri Lanka, Tschetschenien,[link widoczny dla zalogowanych], Südkorea, Bosnien und Kosovo.
In Bagdad wurde Nachtwey vor drei Jahren durch eine Bombe schwer verletzt, davon sieht man heute nichts mehr. In den feinen Gesichtsfalten haben sich Geschichten eingeschrieben. All die Kriegstoten ("Deeds of war", 1983-1994) und all diejenigen, die übrig blieben in ihrer Trauer, schreiende Mütter, weinende Babys. Erzählt ein einzelnes amputiertes Bein nicht mehr als ein ganzes Bataillon? Im individuellen Leiden des Einzelnen spiegelt sich die kollektive Katastrophe dieser Welt. "Es erstaunt mich jedes Mal wieder,[link widoczny dla zalogowanych], wieviel Hoffnung es unter den Menschen gerade in diesen zerstörten Gebieten gibt", sagt Nachtwey.
Neben Nachtwey sitzt David LaChapelle, ein typischer "american boy",[link widoczny dla zalogowanych], schwarze Puma-Jacke, Kette um den Hals, rotes T-Shirt und Sneakers. Sein Lachen ist sympathisch und jungenhaft. Er sieht nicht so verrückt aus, wie er ist. Wer einmal eine seiner Partys besucht hat,[link widoczny dla zalogowanych], weiß, "normal" kommt da keiner. Bussi hin, Bussi her. Da tummeln sich Kostümierte, Halbnackte, Transsexuelle. Wie Amanda,[link widoczny dla zalogowanych], die schon mal auf dem Tisch strippt mit ihrem aufgerüsteten, makellosen Superbody.
LaChapelle hat eine Entourage um sich wie ein Popstar, einer exzentrischer als der andere. Für seinen Berlin-Trip engagierte er eigens einen Party-Planer, der die ausgefallenen Locations in Mitte gebucht hat. Das Party-Durcheinander erinnert an Andy Warhols New Yorker Factory, LaChapelle hat in jungen Jahren für ihn auch fotografiert. In den Staaten ist LaChapelle heute so erfolgreich, dass nicht nur Elisabeth Taylor, Elton John, Britney Spears für seine glänzende Fantasy-Welt posierten. Christina Aguilera hat sich auf ein pinkfarbenes Barbie-Pferd geschwungen, Drew Barrymore stürzt sich als weißbeschürzte Kellnerin in einen Berg von Pampelmusen, garniert mit Zuckerkirschen.
June Newton hat die beiden "modern Masters" der Fotografie zusammengebracht, angefangen hat das alles bei einem Frühstück in Los Angeles im vergangenen Jahr. "Aber ich dachte nicht, dass wir es realisieren." Helmut Newton hätte beide geschätzt, erzählt seine Witwe, auch wenn die extreme, digitale Fotografie LaChapelles ihm persönlich nicht lag, so wusste er doch den Stellenwert dieser neuen Technik für die Entwicklung der modernen Fotografie einzuordnen.
Nachtwey erzählt, wie ihn die Idee einer gemeinsamen Ausstellung zunächst befremdet hätte. "Das ist eine provokative Ausstellung. Es stellen sich viele, viele Fragen. Wo liegt die Verbindung zwischen mir und LaChapelle?"
"Es gibt", fügt er hinzu,[link widoczny dla zalogowanych], "viele Verbindungen. Unter der farbigen Oberfläche LaChapelles,[link widoczny dla zalogowanych], die schnell unterhält, offenbaren sich die gleichen Motive wie bei mir." Gemeint sind Themen wie Gewalt, Religion, Unschuld, Gesellschaft. So bezeichnet LaChapelles riesigeraufblasbarer Plastik-Burger nicht nur den Überfluss einer Spaßgesellschaft, sondern spiegelt in seiner Übergröße auch die Perversion und das Gegenteil dessen, was der Fleischklops verkörpert, nämlich den Hunger, der in vielen Teilen dieser Welt herrscht. "Ich dokumentiere doch nur, was ich um mich herum sehe. Ich bin ein ,Produkt' Amerikas", findet LaChapelle. "Natürlich liebe ich die Farbe, ich liebe es auch, wenn die Leute vor der Kamera die Klamotten ausziehen, das aber hat weniger mit Sexualität zu tun als mit Freiheit und mit Körper-Energie."
"Heaven to Hell" heißt ein Foto LaCapelles,[link widoczny dla zalogowanych], Courtney Love, die Nirvana-Witwe, mit dem toten Kurt Cobain auf dem Schoß. Ein Pietà-Motiv. "Maria ist heute überall",[link widoczny dla zalogowanych], sagt LaChapelle.
Museum für Fotografie, Berlin. Bis 20. Mai. Die Jablonka Galerie, Kochstraße 60, zeigt die LaChapelle-Ausstellung "Heaven to Hell", bis zum 17. Februar.
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